- 15. März
Ich bin ein einfacher Mann, sagte er sich auf dem Heimweg, einer, der im Regen davonläuft, lieber davonläuft, als reinzugehen und dazubleiben, wo sie wahrscheinlich noch immer im Trockenen sitzt und sich beraten lässt oder vorstellen muss, Bericht geben womöglich, das heißt: Einblick in die Dürreperiode eines Künstlerlebens als Schauspielerin, in dem trotz Schönheit, ja, großer Schönheit und echter Ausstrahlung, er sah es in ihren Augen, derzeit kein Engagement in greifbarer Nähe ist. Wie er saß sie deshalb da und wartete auf Beratung, auf Jobs und Stellen, die man ihr vorschlägt, damit sie sie rausholen aus der Ungewissheit und den Fragen, die sich beide stellen, dauernd stellen sie sich diese Fragen, weil niemand nach ihnen greift und sie will oder braucht oder anstellt und engagiert. Nutzen hätte er sie sollen, die Gelegenheit neben ihr, in der nur ein Stuhl zwischen ihnen stand, auf den er seine Tasche legte, in der Bernhard lag und sein Notizheft. Stattdessen saß er nur da, hielt sich den schweren und schmerzenden Kopf, der sich von viel Alkohol und einer chronisch vollen Nase nach nur wenigen Stunden Schlaf selbstverständlich noch nicht erholt hatte und deshalb weiß Gott nicht auf ihrer Höhe war, obwohl er den ihren auch im Sitzen um zwei Längen überragte. Sie hielt ihm sogar die Türe auf, bevor sie das Büro betrat, stellte sich vor ihm der Dame am Empfand vor, hieß Moore, so wie gute Schauspielerinnen eben heißen, dachte er sich, und hielt doch sein Maul. Nach ihr sprach er vor, sagte brav seinen Namen auf, der ihm noch einfiel, und nahm Platz mit einem Stuhl Abstand. Sie trug die gleichen Schuhe wie er, fiel ihm auf, fast wollt er das zum Auftakt sagen, und hielt doch schon wieder sein Maul, aus dem es nicht gut roch, weil er nur wenige Stunden Schlaf in den Knochen hatte und auch im Mund Knochen sind, die müde sein und deshalb schlecht riechen müssen, dachte er sich. Ungewaschen und mit Brille verkleidet saß er also da, wagte nur ein paar schüchterne Blicke, sagte natürlich nichts, nur dann, als er aufgerufen wurde und den Raum verlassen musste, um sich beraten zu lassen. Als er wieder rauskam, saß sie noch immer da, wurde anscheinend selbst noch nicht beraten, wer berät denn so ein schönes Wesen nicht, dachte er, und sprach selbstverständlich auch dann keinen seiner zumindest schön gedachten Sätze aus. Der Dame am Empfang wünschte er beim Verabschieden mit letzter Kraft ein schönes Wochenende, das schaffte er, obwohl sie zu keiner Sekunde seine echte und ungeteilte Aufmerksamkeit hatte, denn die lag unverändert hinter ihm, in der Schauspielerin, die er durch die Rückwand seines schmerzenden Schädels sah, wo sie ihm die Augen verdrehte, aber nichts davon mitbekam, weil sein Blick stur geradeaus gerichtet war und sich lediglich beim Verlassen des Büros halbherzig in ihre Richtung drehte. Und da, nein, es ist nicht möglich, dachte er erschrocken, warteten ihre vielleicht auch ein bisschen zu müden Augen auf die seinen und ihre Lippen flüsterten aber hörbar Ciao, auf Wiedersehen auf Italienisch, und das an einem Freitagvormittag in Österreich, in Wien, worauf ihm, wir vermuten, befürchten und wissen es schon, auch jetzt kein Buchstabe einfiel, auch kein deutscher, den er ihren Lippen als Bekenntnis für seine schon beim Eintreten dagewesene Zuneigung entgegenwarf. Und so bleibt er ein einfacher Mann, der vielleicht schreiben, aber doch niemals wirklich etwas sagen kann, weder Ciao oder Tschüss, auch nicht Adieu und schon gar nicht: Hallo, schöne Frau, sind sie allein, sind wir schon zwei.