Blauer Himmel
- moritzweinstock
- 10. Juni 2023
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 15. Nov. 2024
Nackt ist er, der Himmel, sagte sie. Gar nichts zu sehen, keine Wolke, kein Vogel, nur Blau. Schwindelig wird mir, wenn ich ehrlich bin, sprach sie dann weiter. Ihm war das alles egal. Sie hatten sich in die Wiese gelegt, um in den Himmel zu gucken, nur war da gar nichts zu sehen. So ist das eben manchmal, dachte er sich. Manchmal gibt es einfach nichts zu sehen. Und doch staunten sie beide, weil es da eben so wenig gab, worauf sie ihre Blicke richten konnten. Nur ein einziges großes Blau ohne Inhalt. Minutenlang tat sich nichts, nicht einmal die Farbe änderte sich. Es blieb das Blau von vor wenigen Minuten. Findest du nicht, fragte er plötzlich, dass sich das Blau so gar nicht verändert? Nein, es ändert sich nicht, gab sie ihm recht. Mir schwindelt nur, sagte sie daraufhin. Vielleicht, sprach sie weiter, weil meine Augen es nicht gewohnt sind, so lange auf ein sich nicht änderndes Blau zu schauen. Ja, gestand er ihr dann, es verändert sich nicht und nimmt doch mein ganzes Blickfeld ein. Ich sehe nur blau, sagte er. Doch dann flog ein Flugzeug durchs Bild und hinterließ seine weiße Spur. Es durchkreuzte das Blau und den Himmel und all ihre Vorstellungskraft. Ja, es störte sogar, denn minutenlang hatte sich gar nichts getan. Für Minuten war das Blau nur blau gewesen und der Himmel ein unbefleckter Ort, der nichts tat, außer Schwindel auszulösen oder egal zu sein. Und jetzt das! Jetzt kreuzte ein Weiß diesen bläulichen Ort. Sie drehten ihre Köpfe weg vom unendlichen Blau und sich selbst zu. Dann nickten sie und verließen ganz still die Wiese, deren Grün ihnen gar nicht aufgefallen war.

